(Quelle: Volksstimme vom 25.02.2015 von Hagen Eichler)  Immer neu mischt die elfjährige Josepha die Spielkarten vor sich. Buben, Damen, Könige und Asse wandern von links nach rechts, am Ende landen alle auf vier Stapeln. Voila! Josepha dreht die Karten um und wie von Zauberhand liegen alle säuberlich sortiert da: Buben bei Buben, Damen bei Damen. Ein gelungener Trick in der Zauber-AG der privaten Jeetzeschule in Salzwedel.

Freiarbeit 3 klAngeleitet werden die Zauberschüler von Ulf Barnieske. Der Mathe- und Religionslehrer unterrichtet seit einem halben Jahr in Salzwedel, ebenso wie Josepha stammt er aus Niedersachsen und fährt täglich einen weiten Weg in die Schule. „Hier liegt der Fokus auf Individualität, anderswo wird mehr im Gleichschritt marschiert“, lobt der Pädagoge. Seine Schulleiterin schätzt den Mann und würde ihn im Religionsunterricht bei den oberen Klassen einsetzen. Das aber hat das Land untersagt: Barnieske darf maximal vor Sechstklässlern stehen – obwohl sein Studienabschluss ihn auch für Zehntklässler qualifiziert.

Konflikte um Lehrer-Qualifikationen trägt die Jeetzeschule immer wieder aus. Sie ist stolz darauf, ihren Schülern einen Physiklehrer zu bieten, der jahrelang eine eigene Informatikfirma geleitet hat. „Wir finden es gut, wenn jemand schon mal im richtigen Leben war“, sagt Schulleiterin Antje Pochte. Das Land hält davon weniger: Der Informatik-Experte darf Informatik nicht unterrichten. Als Lehrer ausgebildet ist er nur für Physik.

Mehrfach hat das Landesschulamt die Anerkennung von Qualifikationen verweigert, die Schule klagt vor dem Verwaltungsgericht. Verhandlungstermine gibt es noch nicht.

70 Kilometer Schulweg sind manchen nicht zu weit
Die Jeetzeschule, einzige Gesamtschule nördlich von Magdeburg, macht vieles anders. Die Schüler bekommen Raum zum selbstständigen Arbeiten. „Hier ist alles lockerer“, sagt die elfjährige Jaimee, „wir müssen nicht so lange stillsitzen, sondern dürfen aufstehen und uns auf den Teppich hocken.“ Bis zu 70 Kilometer Fahrtweg und ein Schulgeld von monatlich 155 Euro nehmen die Eltern dafür in Kauf.

Als einzige Schule in Sachsen-Anhalt kann sich die Jeetzeschule sogar Hoffnung auf eine Auszeichnung beim Wettbewerb „Deutscher Schulpreis“ machen. Unter 110 Bewerbungen schafften es die Salzwedeler in die Runde der letzten 20. „Das ist eine hervorragende Auszeichnung, fast schon wie der Hauptgewinn“, urteilt Andrea Preußker von der Robert-Bosch-Stiftung, die den Preis alljährlich ausschreibt.

In der vergangenen Woche hat sich eine hochkarätige Jury zwei Tage lang in der Jeetze-schule umgesehen. „Den Schülerinnen und Schülern wird hier eine große Verantwortung zugemutet, sie sollen selbst aktiv sein und nicht einfach vorgesetzten Stoff rezipieren“, lobte anschließend Michael Schratz, Schulforscher von der Universität Innsbruck. Seine Kollegen loben eine kompetente Schulleitung, die freundliche Atmosphäre, die Bereitschaft, auf unterschiedliche Begabungen einzugehen. Ende März entscheidet sich, ob die Jeetzeschule als eine von 15 Schulen eine Einladung zur Preisverleihung mit der Bundeskanzlerin bekommt.

Schulbehörde hat keinen Einfluss
Im Kultusministerium sieht man den Vor-Erfolg beim Schulpreis mit Erstaunen. Aus Sicht der Schulaufsicht ist die Jeetzeschule ein Problemfall. Eine lange Liste mit Mängeln haben die Beamten zusammengestellt. Einer der Vorwürfe: Die Schule soll vor dem Abitur getrickst haben. Fünf Schüler wurden in die gymnasiale Oberstufe aufgenommen, obwohl sie den nötigen Notenschnitt nicht erreicht hatten. Das räumt die Schule auf Nachfrage selbst ein. „Da hat die Schulleiterin einen Fehler gemacht“, sagt Schul-Geschäftsführer Berthold Schulze.

Bei der Entscheidung der Schulpreis-Jury wird die Mängelliste des Kultusministeriums allerdings keine Rolle spielen. „Schulbehörden werden von uns nicht befragt“, sagt Projektleiterin Preußker von der Robert-Bosch-Stiftung. „Durch unsere Vor-Ort-Besuche lernen wir die Schulen so gut kennen, dass wir uns selbst ein umfassendes Bild machen können.“

Information: Privatschulen in Sachsen-Anhalt

Rund 100 private allgemeinbildende Schulen gibt es in Sachsen-Anhalt, die Hälfte davon sind Grundschulen. Im vergangenen Schuljahr drückten im Land 15.000 Schüler die Bank in einer Privatschule. Das sind 8 Prozent aller Schüler – 2009 waren es 5,8 Prozent.

Der Anteil freier Schulträger steigt, weil viele Eltern sich dort eine bessere Bildung für ihre Kinder erhoffen. Das Schulgeld nehmen sie dafür in Kauf. Die Jeetzeschule in Salzwedel etwa erhebt monatlich 155 Euro.

Zusätzlich fließen Finanzhilfen des Landes. Die gibt es allerdings erst nach drei Jahren Schulbetrieb. Verliert eine Schule die staatliche Anerkennung, erhält sie auch kein Geld mehr.

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