Schulleiter in Salzwedel blicken auf den Unterrichtsbeginn der Abschlussklassen mit viel Skepsis

Irritation unter Schulleitern: Wird der Unterricht für Abschlussklassen schon ab Montag beginnen? Dazu sehen sich die Schulen nicht in der Lage. Nun nimmt das Landesschulamt Wind aus den Segeln: Die Leiter bekommen eine Vorlaufzeit, Donnerstag geht’s los. Es scheint trotzdem ein Kraftakt, vieles ist unklar.

Von Alexander Rekow und Antje Mewes  VOLKSSTIMME

Salzwedel l „Der Schulbetrieb soll ab dem 4. Mai schrittweise wieder aufgenommen werden. Der Unterricht für Abschlussklassen beginnt bereits wieder ab der nächsten Woche.“ So stand es in der gestrigen Ausgabe der Volksstimme. Somit hätte der Unterricht für die Schulabgänger ab Montag wieder anfangen können. Problem: Offensichtlich war das den Schulleitern nicht mitgeteilt worden. „Ich habe es aus der Volksstimme“, sagt die Schulleiterin der Lessing-Ganztagsschule, Heike Herrmann, am gestrigen Morgen und zeigt sich von der Kommunikation irritiert. Doch dies ist nicht das Einzige, was bei den Verantwortlichen Fragen aufwirft.

Es fehlt an intensiver Prüfungsvorbereitung

„Ich persönlich finde die Entscheidung nicht sinnvoll“, sagt Berthold Schulze, Geschäftsführer der Jeetzeschule. Aus seiner Sicht bräuchte es in diesen Zeiten keine Abschlussprüfungen. „Das wäre nicht das erste Mal.“ Falls doch, wären für die Schüler vier Wochen intensive Prüfungsvorbereitungen nötig. Außerdem laufe man nun Gefahr, dass potenziell sehr gute Schüler ihren Durchschnitt nicht halten können. „Wir haben jemanden, der ein 1,0-Abi schaffen kann.“ Vielmehr würde es das Vorstandmitglied der Jeetzeschule sinnvoller finden, wenn sich deutschlandweit geeinigt würde und nicht „auf Teufel komm raus“ die Schulabschlüsse erzwungen werden.

Berthold Schulze, Geschäftsführer der Jeetzeschule

Beim Thema Hygiene ist die Jeetzeschule noch gut aufgestellt. „Wir haben zwei Liter Desinfektionsmittel.“ Auch ausreichend Waschräume und Seife seien vorhanden. Doch wie es funktionieren soll, wenn Schüler den Raum verlassen und neue hereinkommen, weiß Schulze nicht. „Wir können nicht jede Fläche durchgehend desinfizieren.“ Beim Thema Abstand sehe es wieder besser aus. 15 künftigen Abiturienten stehen 75 Quadratmeter Fläche zur Verfügung. Aber wie ein Lehrer dann den Lehrstoff adäquat vermitteln soll, stehe wieder auf einem anderen Blatt. Erst recht bei den Zehntklässlern, die auf 170 Quadratmetern (wegen des den Sicherheitsabstandes) unterrichtet würden. „Da braucht der Lehrer ein Megaphon.“ Trotzdem, die Jeetzeschule werde eine Lösung finden, versichert Schulze. Immerhin würden seine Lehrer nicht, wie an anderen Schulen, vorwiegend zur Risikogruppe gehören.

Denn genau das trifft auf das Kollegium der Lessing-Ganztagsschule zu. Wenn die mehr als 60-jährigen Lehrer nicht unterrichten, fehlt Schulleiterin Heike Herrmann ein Drittel der Kollegen. Betreffe es sogar die mehr als 50-Jährigen, dann würden zwei Drittel fehlen. Hätte sie ihre Schule schon am Montag öffnen sollen, wäre das ihr „Supergau“. Der 4. Mai für einen teilweisen Start sei aber realistisch. Trotzdem, auch Herrmann plagen Zweifel, wie sie die Schüler aufteilen soll. Immerhin hat sie fast 60 Zehntklässler in ihrer Schule.

Schulleiterin der Lessing Gesamtschule, Heike Herrmann

„Wenn es nun so kommt, verteilen wir die Schüler auf die Räume.“ Doch damit kommen die nächsten Probleme auf sie zu. Denn wenn sie die Lehrer aus der Risikogruppe ausklammert, blieben ihr noch sechs. So müssten die Kollegen zum Unterrichten durch die Räume pendeln. Und Schüler, die etwas fragen, was auch für ihre Mitschüler wichtig wäre, würden die, die nebenan sitzen, das nicht erfahren. „Und ich kann ja schlecht den Sportlehrer in den Mathematikunterricht schicken“, so Herrmann.

Neben den logistischen Problemen stockt es auch bei der Hygiene. „Wir haben kein Desinfektionsmittel mehr.“ Dies sei abgeholt worden, als die Schulen geschlossen wurden. Auch warmes Wasser zum Händewaschen gebe es nicht.

Und Sicherheitsabstand hin oder her: „Was passiert auf dem Schulhof und vor der Schule?“, fragt sich die Schulleiterin. Die Schüler hätten sich ewig nicht gesehen und dementsprechend Kommunikationsbedarf. Ob sich dabei jeder an den Abstand hält, ist mindestens fraglich. „Zaubern können wir auch nicht“, so Heike Herrmann.

Was sie sich aber vorstellen kann, ist der Konsultationsunterricht. Sprich: Es kommt nur eine geringe Anzahl von Schülern in einen Raum und thematisiert dort mit einem Lehrer den prüfungsrelevanten Stoff zu einem Unterrichtsfach. Grundsätzlich spricht sich Herrmann für die Prüfungen 2020 aus, wenn Vorlaufzeit besteht.

Norbert Hundt, Schulleiter der Comeniusschule, sieht seine Schule auf einen Start in der kommenden Woche nicht vorbereitet. Auch ihm machen Logistik und Hygiene Sorgen. „Da habe ich große Bedenken.“ Er wisse nicht, wie er jeden Raum nach Nutzung wieder steril bekommen soll, bevor die nächsten Schüler kommen. Immerhin hat auch die Comeniusschule 44 künftige Schulabgänger. Zudem bereitet ihm, wie Heike Herrmann auch, die Risikogruppe unter den Lehrern Sorge. Denn wenn diese zu Hause blieben, hätte auch er nur sechs Kollegen für den Unterricht. „Gesamtgesellschaftlich muss erstmal die Corona-Pandemie eingedämmt werden“, sagt Hundt abschließend.

Landrat sorgt für mehr Klarheit

Etwas Zeit räumte das Landesschulamt gestern Mittag noch mit einer E-Mail an die Schulleiter ein. Darin heißt es, dass die erste Stufe zur Wiederaufnahme des Schulbetriebs kommende Woche starten soll. Damit ist gemeint, dass in der 17. Kalenderwoche mit entsprechenden Vorbereitungen Prüfungen und Prüfungsvorbereitungen stattfinden können – aber kein regulärer Unterricht ab Montag, wie anfangs befürchtet. Dazu werde heute ein Erlass erarbeitet und den Schulleitern zugesandt.

Für die angehenden Abiturienten an den Gymnasien und die Zehntklässler der Sekundarschulen solle es am Donnerstag wieder los gehen, sorgte gestern Nachmittag Landrat Michael Ziche in einer Pressekonferenz für mehr Klarheit. Unter den erforderlichen hygienischen Voraussetzungen könnten die Prüfungsvorbereitungen beginnen. Es werde empfohlen, Textilschutzmasken zu tragen. Das sei aber keine Pflicht. Das gelte auch für den Öffentlichen Personennahverkehr. Der Kreis werde dafür Schutzmasken zur Verfügung stellen. Für den Transport der Abschlussschüler werde gesorgt. Der Bedarf werde voraussichtlich nicht sehr hoch sein, weil die älteren Schüler in der Regel individuell zur Schule fahren, schätzt der Landrat ein. Eltern, deren Sprösslinge Bus fahren sollen, können sich an die Personenverkehrsgesellschaft (PVGS) wenden.

Ab 4. Mai soll der Unterricht ausgeweitet werden. Er gehe dabei davon aus, dass der Schulbetrieb nicht komplett sondern in Gruppen wieder aufgenommen werde. In einer Konferenz mit dem Ministerpräsidenten sei es ein ausdrücklicher Wunsch der Landräte gewesen, dass Informationen an die Schulleiter, zu Hygiene, Klassengröße oder zum Ablauf der Pausen zügig herausgegeben werden.

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