Beim Schulprojekt durfte Suzdar Selo wegen ihrer Kleidung nicht teilnehmen

Beim gemeinsamen Schwimmprojekt von Salzwedels Lessing-Ganztagsschule und der Jeetzeschule ist es zu einem Zwischenfall gekommen. Weil ihre Badebekleidung nicht der Haus- und Badeordnung entspricht, wurde ein zwölfjähriges Mädchen vom Kurs ausgeschlossen.

 

Salzwedel l Für Suzdar Selo soll es ein ganz großer Tag werden, ihr erster Schwimmunterricht mit Mitschülern steht kurz bevor. Mit Oliver Weißbach, dem FSJler an der Lessing-Ganztagsschule, und weiteren Kindern macht sich das zwölfjährige Mädchen auf den Weg zur Schwimmhalle in Salzwedel. Doch was das Mädchen nicht weiß: Sie wird an diesem Tag nicht mit ihren Mitschülern schwimmen – darf nicht ins Wasser.

„Wir wollten eine Partnerschaft in der Flüchtlingsarbeit“, sagt Berthold Schulze, Geschäftsführer der Jeetzeschule in Salzwedel. Daher haben sich Schulze und Heike Herrmann, Schulleiterin der Lessing-Ganztagsschule in der Hansestadt, zusammengesetzt. Man wolle was für die Flüchtlingskinder tun, war ihr Credo. Bei einer Tasse Kaffee ist schlussendlich die Idee gereift, ein Schwimmprojekt für die Kinder ins Leben zu rufen. Schließlich haben nur wenige in ihrer Heimat schwimmen gelernt. Außerdem wolle man Bildungsgleichheit zwischen den Kindern herstellen.

Um auch die Sozialkontakte der Kinder zu fördern, haben sich die beiden Lehrkräfte zudem etwas besonderes einfallen lassen. „Wir haben eine Patenschaft zwischen den Kindern ins Leben gerufen“, sagt Schulze. Die Patenschaft besteht jeweils zwischen einem in Deutschland geborenen und einem Flüchtlingkind. Jeweils ein Schüler aus der Lessingschule ist Pate für einen Schüler aus der Jeetzeschule – und andersherum. Damit, so hofft Schulze, stehen sich die Kinder gegenseitig bei, reden miteinander und es entstehen vielleicht sogar Freundschaften.

Mit sechs Kindern der fünften und siebten Klassenstufe macht sich Oliver Weißbach im September auf den Weg zum Schwimmkurs. Etwas aufgeregt wegen ihrer ersten Schwimmeinheit, erreicht die Gruppe gegen 8.30 Uhr die Schwimmhalle der Stadt Salzwedel. „Manche hatten Sportkleidung an“, erinnert sich Weißbach. Für den jungen Salzwedeler nichts ungewöhnliches, hat er das doch schon häufig im Freibad gesehen. In selbst gewählter Badebekleidung kommt der Tross am Becken an. Dort wartet schon Svetlana Altenburg von der Jeetzeschule.

Die ehemalige Sportlehrerin aus Russland übernimmt die Aufsicht und gibt Hilfestellung. Doch statt aufmunternder Worte für ihren großen Tag bekommt Suzdar Selo einen mahnenden Finger von Schwimmmeister Ullrich Einenkel. „Er hat es nur nonverbal gezeigt – ‚ist nicht!‘“, erinnert sich Oliver Weißbach, der die Szene nicht einordnen kann. Gerade für das zwölfjährige Mädchen eine kaum zu greifende Situation.

Weißbach fragt in der Schwimmhalle beim Personal nach. Suzdars Badebekleidung sei nicht zulässig. Sie verstoße damit gegen die Hygienevorschriften, wird Weißbach und Altenburg erklärt. „Wir waren im ersten Augenblick perplex, konnten es kaum glauben“, erinnert sich der FSJler. „Svetlana hakte nochmal nach – es war aber nichts zu machen.“ So konnte der erste Schwimmkurs für die Kinder nicht wie geplant stattfinden.

Keine Straßenkleidung

„Das war unpassend – das war Straßenbekleidung“, erklärt die Salzwedeler Schwimmmeisterin Nicole Gödeke auf Nachfrage der Volksstimme. Mehr möchte sie dazu aber nicht sagen, verweist an den Sprecher für Öffentlichkeitsarbeit der Hansestadt, Andreas Köhler.

„Das Mädchen kam in Sportfunktionsbekleidung“, sagt Köhler, nachdem er sich beim Personal der Schwimmhalle informiert hatte. „Das ist grundsätzlich so, dass mit Alltagsunterwäsche nicht gebadet werden darf“, erklärt er und verweist auf die Haus- und Badeordnung, welche sich mehrsprachig mit Piktogramm im Aushang befinde. Unterwäsche will Oliver Weißbach nicht erkannt haben. Lediglich eine Badehose und ein Badeshirt. Aufgrund ihres muslimischen Glaubens verdecken Suzdar Selo und einige Mitschülerinnen Teile ihre Haut.

„Größtenteils tragen die Jungs ihre Shorts auch zum Baden, zum Teil haben sie ebenfalls ihre Boxershort drunter“, weiß Berthold Schulze. Dem kann Oliver Weißbach nur zustimmen, zu häufig habe er das selbst gesehen. „Das sind aber Deutsche“, fügt Herrmann hinzu, die ihre Mädchen dadurch benachteiligt sieht. „Ich hätte mir gewünscht, dass der oder die an dem Tag nachfragt, statt Kinder des Wassers zu verweisen“, moniert Schulze.

„Wir haben dann das Gespräch mit dem Personal gesucht“, sagt Herrmann und erinnert sich noch gut: „Die Damen an der Kasse haben beschwichtigt.“ „Der ist halt vom alten Schlag“, bekam die Schulleiterin als Erklärung für die Reaktion des Schwimmmeisters zu hören. Eine Diskussion zwischen den Vertretern der Schulen und der Schwimmhalle kommt auf.

Herrmann kommt die Idee, den Schülerinnen Burkinis anzuraten, damit sie weiterhin am Schwimmprojekt teilnehmen können. Wieder Diskussionen, ob diese denn eine offizielle Schwimmbekleidung seien. Schließlich könnten sich die anderen Badegäste daran anstoßen. Die Schulleiterin ist gereizt, da Burkinis eine gängige Badebekleidung für Muslime sind. Das bestätigt auch Dr. Moawia Al-Hamid von der islamischen Gemeinde Magdeburg: „Natürlich, Burkini sind geläufig.“

Nach hin und her lässt sich das Personal überzeugen, dass es sich dabei um offizielle Badebekleidung handele. „Wir haben uns ausgesprochen, alles ist geklärt“, sagt Herrmann. Nicht aber für Suzdar Selo und ihre drei muslimischen Freunde: Burkinis sind teuer und für die Flüchtlingsfamilien nicht zu finanzieren. Herrmann hat eine Lösung: Sie kauft Burkinis für die vier Mädchen vom Schwimmprojekt.

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